Kontrahierungszwang


Kurz & einfach erklärt:

Kontrahierungszwang verständlich & knapp definiert

Der Kontrahierungszwang besagt, dass Personen und Unternehmen zu einem Vertragsabschluss gezwungen werden können, auch wenn sie diesen nicht möchten. Allerdings ist dies nur in Ausnahmefällen, wie bei Versicherungen oder der Stromversorgung, möglich. Dabei kann zwischen einen gesetzlichen und einen branchenspezifischen Kontrahierungszwang unterschieden werden.
notes Inhalte

Beim Kontrahierungszwang handelt es sich um wohl begründete Ausnahmefälle von dem allgemein gültigen Grundsatz der Vertragsfreiheit. Dieser Grundsatz besagt, dass Privatpersonen und Unternehmen im Allgemeinen nicht zu einem Vertragsabschluss gezwungen werden können, wenn Sie keinen Vertrag abschließen möchten.

Allerdings sieht der Gesetzgeber einige Bereiche wie Versicherungen, den öffentlichen Personennahverkehr oder auch die Stromversorgung als so bedeutend an, dass die Anbieter der Leistungen durch den sogenannten Kontrahierungszwang zum Vertragsabschluss und auch der Verwirklichung gezwungen werden. In die heutige Politiksprache übersetzt würde der Kontrahierungszwang bedeuten, dass der Vertragsabschluss für den Bürger alternativlos ist. Die wesentlichen Inhalte des Kontrahierungszwangs lassen sich am Besten an den drei häufigsten Erscheinungsformen verdeutlichen.

Der Kontrahierungszwang im Bereich der Fahrzeugversicherungen

Kein in Deutschland zugelassenes KFZ darf ohne eine Haftpflichtversicherung unterwegs sein. Diese Regelung dient vorrangig dem Schutz der anderen Verkehrsteilnehmer, die sich darauf verlassen können: Jedes Fahrzeug verfügt über eine Versicherung, die die entstehenden Schäden abdeckt. Aus diesem Grund wird der Neuabschluss oder auch die Kündigung einer KFZ- oder LKW-Haftpflichtversicherung auch durch die elektronische Versicherungsbestätigung den Zulassungsstellen mitgeteilt. Die bei Nicht-Vorhandensein einer KFZ-Haftpflichtversicherung das Kennzeichen entstempeln lassen.

Der Kontrahierungszwang bedeutet, dass keine Versicherungsgesellschaft irgendeinen Antragsteller der KFZ-Haftpflicht abweisen darf, da die Versicherung ja quasi im Staatsauftrag handelt und eine Pflichtversicherung anbietet. Wer also wirklichkeitsgetreue Angaben macht, der bekommt von jeder Versicherungsgesellschaft seiner Wahl diese Versicherung angeboten. Die Versicherungsgesellschaft kann aber bei schlechtem Risikoprofil weitere Zusatzversicherungen wie Insassen-Unfall oder die Vollkasko ablehnen. Zweck des Kontrahierungszwanges ist es allen Menschen die Teilnahme am Straßenverkehr zu ermöglichen. Es kann hier auch von einem doppelten Kontrahierungszwang gesprochen werden, da der KFZ-Halter zum Abschuß einer Versicherung verpflichtet ist und der Vertragspartner diesen Schutz gewähren muss.

Keine willkürliche Diskriminierung bei öffentlich bereitgestellten Gütern (wie dem Nahverkehr)

Eine weitere Form des Kontrahierungszwangs ist im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs zu finden: Sowohl Busse & Bahnen, als auch Taxis gehören ebenfalls zu einem Bereich, der oft als staatliche Daseinsvorsorge bezeichnet wird. Um sozial schwächere oder nicht so verhandlungsstarke Menschen (beispielsweise wegen fehlenden Sprachkenntnissen) nicht zu benachteiligen wird ein Pflichtfahrgebiet bzw. Geltungsbereich festgelegt, in dem staatlich verordnete Tarife und Beförderungsbedingungen gelten. So rechnen alle Taxifahrer einer Stadt nach einer staatlich genehmigten Preistabelle ab und werden durch Lizenzen vor sittenwidrigem Dumping-Wettbewerb (wie er beispielsweise dem Portal Uber vorgeworfen wird) geschützt.

Im Gegenzug müssen sie jeden Fahrauftrag in diesem Gebiet annehmen: Auch wenn der Fahrgast nur 2-3 Kilometer fahren will, hat der Taxifahrer Beförderungspflicht. Ebenso darf er - anders als ein reiner Privatunternehmer ohne Kontrahierungszwang- nicht Kunden willkürlich ablehnen. Ähnliches gilt für Busse & Bahnen: Wer einen Fahrschein kauft, der muss befördert werden. Hier ist allerdings nur ein einseitiger Kontrahierungszwang gegeben: Das Beförderungsunternehmen muss den Fahrtwunsch des Kunden annehmen, der Kunde kann aber auch genauso gut zu Fuß gehen oder das Taxi vorbeifahren lassen.

Privatgirokonten als Grenzfall: Selbstverpflichtung statt Kontrahierungszwang

Bis zur Umsetzung einer EU-Richtlinie über das Recht auf ein Girokonto ist die Selbstverpflichtung des Bankenverbandes zur Einrichtung eines Girokontos für Privatleute ("Girokonto für jedermann") aus dem Jahr 1995 ein interessantes Beispiel für einen Kontrahierungszwang in der Grauzone. Das Girokonto wird für immer mehr Lebensbereiche unverzichtbar, so zahlen kaum noch Unternehmen die Löhne in bar aus. Ebenso ist eine Mietzahlung in bar dermaßen unüblich, dass manche Vermieter gar keine MIeter ohen Girokonto akzeptieren. Aus diesem Grund hat der Bankenverband die Selbstverpflichtung abgegeben und sich so eine Art branchenweiten, nicht gesetzlichen Kontrahierungszwang auferlegt.

Zusammenfassung

  • In den allermeisten Fällen bleibt es bei der Vertragsfreiheit als wesentlichem Grundsatz der Marktwirtschaft.
  • Nur in einigen wenigen Fällen gibt es einen Kontrahierungszwang, wenn das Allgemeinwohlinteresse bzw. das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft im Vordergrund steht.
  • Es kann zwischen einem gesetzlichen Kontrahierungszwang und einer Branchenverpflichtung entschieden werden.
  • Der Kontrahierungszwang ist meist auch mit einer Konditionenfestsetzung verbunden, damit keiner der Vertragspartner übervorteilt wird.

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