Stille Selbstfinanzierung


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Während die offene Selbstfinanzierung ausgewiesene Gewinne einbehält, behält die stille Selbstfinanzierung nicht ausgewiesene Gewinne ein. Diese Form der Finanzierung erfolgt durch das Bilden s.g. stiller Reserven. Die Bildung geschieht durch die finanzielle Unterbewertung von Vermögensgegenständen oder die finanzielle Überbewertung von Verbindlichkeiten.

Die nachfolgenden Beispiele sollen diese beiden Situationen der Unterbewertung von Vermögensgegenständen bzw. Überbewertung von Verbindlichkeiten verdeutlichen.

Beispiele für die Unterbewertung von Vermögensgegenständen

    1. Keine Aktivierung von selbsterstellten immateriellen Vermögensgegenständen (Patente)
      Laut § 248 Abs. 2 HGB (Paragraph 248, Absatz 2 des Handelsgesetzbuches) hat ein Unternehmen die Wahl, ob es eigene, immateriell geschaffene Vermögensgegenstände in der Bilanz des Unternehmens als Vermögen auf der Aktivseite aktiviert oder ob es diese Aktivierung unterlässt.
      Die DJ-Metalery hat ein Verfahren zur speziellen Legierung von Stahlrohren entwickelt und sich diese Entwicklung auch patentieren lassen. Diese Entwicklung, die allgemein in der Stahl- und Metallindustrie eingesetzt werden könnte, hat einen Marktwert von 2.000.000,00 Euro, denn andere Unternehmen wären bereit, diesen Betrag zu zahlen, um dieses Legierungsverfahren nutzen zu dürfen.
      Die DJ-Metalery entscheidet sich die Aktivierung des selbstgeschaffenen immateriellen Wertgegenstandes in Form des Patentes in ihrer Bilanz nicht vorzunehmen. Dieser finanzielle Gegenwert ist also „in den Büchern“ des Unternehmens nicht ersichtlich. Damit hat das Unternehmen eine „Stille Reserve“ durch Minderbewertung oder Unterbewertung der Vermögenswerte des Unternehmens geschaffen.

    1. Buchwert eines in der Bilanz ersichtlichen Gebäudes ist weit unter dem wesentlich höheren Marktwert
      Vor vierzig Jahren hat die DJ-Metalery eine Lagerhalle für umgerechnet 500.000,00 Euro erworben. Dieses Gebäude wurde über die Jahre nicht abgeschrieben und steht gemäß dem s.g. Anschaffungskostenprinzip* noch zu den damaligen Anschaffungskosten von umgerechnet 500.000,00 Euro in der Bilanz.
      Aufgrund der aktuellen niedrigen Zinsphase hat das Gebäude allerdings einen Marktwert von 1.500.000 Euro. Der Wert der Lagerhalle hat sich also aufgrund der aktuellen Immobilienpreisentwicklung über die Jahre verdreifacht. Auch in diesem Fall hat das Unternehmen eine „Stille Reserve“, denn wenn die Lagerhalle verkauft werden würde, hätte das Unternehmen einen Ertrag von 1.000.000,00 Euro (=aktueller Marktwert 1.500.000,00 – Anschaffungskosten 500.000,00) realisiert.
      * Erklärung des Anschaffungswertprinzips: Um zu wissen, was man unter dem Anschaffungswertprinzip versteht, schauen wir einfach mal ins Gesetz, speziell in § 253 HGB. Dort heißt es, „Vermögensgegenstände sind höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellkosten, […] anzusetzen“. D.h. dass die DJ-Metalery das Gebäude zu den Anschaffungskosten i.H.v. 500.000,00 Euro in der Bilanz ansetzen bzw. ausweisen darf.

  1. Vollständig abgeschriebener Lastraftwagen (LKW) erzielt wesentlich höheren Marktwert aufgrund hervorragender Pflege des Fahrzeuges
    Die DJ-Metalery hat vor 8 Jahren einen LKW für 150.000,00 Euro angeschafft und diesen auch über die 8 Jahre vollständig linear abgeschrieben.

    Jährlicher Buchungssatz: AfA (Absetzung für Abnutzung) an Fuhrpark 18.750,00 Euro


    ( ) Es besteht lediglich noch ein Erinnerungswert des Fahrzeuges in der Bilanz von einem Eure (1€). Da die Geschäftsführung der DJ-Metalery aber immer großen Wert auf die Pflege der Fahrzeuge gelegt hat und das Fahrzeug ohne nennenswerte Beschädigungen und vor allem scheckheftgepflegt beim Hersteller (das bedeutet, dass alle Wartungen und Inspektionen in der Fachwerkstatt des Herstellers durchgeführt wurden) ist, liegt der aktuelle Marktwert des Fahrzeuges nach Bewertung durch ein Internetverkaufsportal bei 45.000,00 Euro. Würde der Lastkraftwagen nun verkauft werden, so würde die DJ-Metalery einen Ertrag von 44.999,00 Euro erzielen. Folgende Buchung müsste in der Buchhaltung vorgenommen werden, wenn der Verkaufspreis von 45.000,00 Euro vom Käufer per Banküberweisung an das Unternehmen bezahlt werden würde.

    Bank 45.000,00 an Fuhrpark 1,00 an Ertrag 49.999,00

Zusammenfassung der Beispiele:


Im ersten Beispiel hat das Unternehmen eine stille Reserve durch die Schaffung des Patents, welches nicht in der Bilanz aktiviert wurde i.H.v. 2.000.000,00 Euro geschaffen. Im zweiten Beispiel ist durch die positive Preisentwicklung Entwicklung des Gebäudes eine stille Reserve von 1.000.000,00 Euro entstanden. Im dritten und letzten Beispiel verfügt das Unternehmen durch den top gepflegten Lastkraftwagen (LKW) über eine stille Reserve von 49.999,00 Euro.

Insgesamt ergeben sich also stille Reserven von 3.049.999,00 (=2.000.000,00(Patent) + 1.000.000,00(Gebäude) + 49.999,00(LKW)).
Würde die DJ-Metalery nun die materiellen (Gebäude und LKW) und immateriellen (Patent für die Legierung) Wertgegenstände veräußern, so entsteht ein Ertrag von 3.049.999,00 Euro. Von diesem Veräußerungsgewinn i.H.v. 3.049.999,00 Euro müsste noch die Ertragssteuer abgezogen werden und der Rest würde für Finanzierungszwecke zur Verfügung stehen.

Abschlussbemerkung zu den stillen Reserven

Es sollte anhand der Beispiele deutlich geworden sein, dass stille Reserven nicht in der Bilanz eines Unternehmens ersichtlich sind. Es bedarf „einen Blick in die Bücher des Unternehmens bzw. einen Blick ins Unternehmen“ sowie einer etwaigen Marktanalyse zur Bewertung von vorhandenen Wertgegenständen, die man ggf. veräußern will, um die stillen Reserven eines Unternehmens aufdecken zu können.

Bildung stiller Reserven durch die Überbewertung der Passiva bzw. Passivseite der Bilanz

Wir haben bereits weiter oben im Text erfahren, was man unter der Finanzierung aus Abschreibungen versteht. In dem Textabschnitt war auch beschrieben, dass Rückstellungen zum Fremdkapital gehören, weil sie „für Andere“ in Form von Pensionsrückstellungen oder Rückstellungen für evtl. eintretende Gewährleistungen (Gewährleistungsrückstellungen) gebildet worden sind. Wurden diese Rückstellungen aus entsprechender Vorsicht der Geschäftsführung zu hoch gebildet, so entsteht bei deren Auflösung wieder freiwerdendes Kapital. Dieses Kapital, was evtl. freiwerden könnte, stellt ebenfalls eine stille Reserve dar, auch wenn man die genaue Höhe nicht beziffern kann.

Zusammenfassung zur stillen Selbstfinanzierung

In diesem Abschnitt konnte man erkennen, dass stille Reserven gelegentlich auch automatisch gemäß handels- und steuerlicher Vorschriften (siehe Beispiel zu der AG) gebildet werden. Selbstverständlich ist aber auch eine bewusste Steuerung der stillen Selbstfinanzierung möglich, indem das Unternehmen - wie aufgezeigt - stille Reserven durch die Unterbewertung von Vermögenswerten oder die Überbewertung von Verbindlichkeiten schafft.
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