Vertragsfreiheit
- chevron_right Wo liegen die Grenzen der Vertragsfreiheit?
- chevron_right 1. Grenze: Strafecht
- chevron_right 2. Grenze: Zwingende Gesetze
- chevron_right 3. Grenze: Sittenwidrigkeit
- chevron_right Formale Inhalte der Vertragsfreiheit
- chevron_right 4. Die Abschlussfreiheit versus Kontrahierungszwang
- chevron_right 5. Die Inhaltsfreiheit
- chevron_right 6. Formfreiheit
- chevron_right 7. Die Aufhebungsfreiheit
- chevron_right Die Vertragsfreiheit – das Wichtigste in Stichpunkten
Die Vertragsfreiheit oder Privatautonomie ist mehr als nur ein Grundprinzip im Zivilrecht: Jeder ist frei, seine Rechtsverhältnisse selber zu bestimmen. Das ist Ausfluss mehrerer Menschen- und Grundrechte. Einschränkungen berühren diese besonders geschützte Sphäre.
Sie unterscheidet unser Rechtssystem von Staatsformen wie Diktaturen oder Kommunismus und gestaltet unsere Freiheit mit konkreten Rechten und Pflichten aus. Sie schränkt auch den Gesetzgeber und die Verwaltung dahingehend ein, sich nicht einzumischen, wo es kein Schutzzweck erfordert. Individuelle Lebensgestaltung darf nicht berührt werden.
Einschränkungen der Vertragsfreiheit durch Dritte werden aktiv verboten. Dazu gibt es eine Strafrechtsbestimmung. Zwang oder Drohung führt auch zivilrechtlich zur Ungültigkeit einer „Zustimmung“. Auch Irrtümer bei Vertragsabschluss haben Konsequenzen.
Wo liegen die Grenzen der Vertragsfreiheit?
Grundsätzlich ist jeder frei, Inhalt und Vertragspartner selber wählen. Dabei gibt es aber viel zu berücksichtigen.
1. Grenze: Strafecht
Grenzen sind natürlich nötig– Auftragskiller, Menschen-, Organ- und Drogendealer können ihr Honorar zum Beispiel nicht einklagen. Daraus ergibt sich eine Grenze im Strafrecht: Strafrechtlich verbotene Handlungen können nicht Gegenstand eines gültigen Vertrags werden.
2. Grenze: Zwingende Gesetze
Aber nicht nur im Strafrecht gibt es gesetzliche Bestimmungen, die einzuhalten sind. Sonst wäre es ja einfach, Gesetze zu umgehen indem man einfach einen Vertrag mit anderslautenden Inhalten abschließt.
Das heißt, zum Gegenstand eines gültigen Vertrags kann nichts werden, das gegen zwingende Gesetze verstößt. Da es auch Gesetze gibt, die abänderbar sind, unterliegen diese nicht dieser Einschränkung. Dabei handelt es sich um sogenanntes „abdingbares Recht“.
Ein Beispiel am Gewährleistungsrecht: Die Frist zur Geltendmachung von Ansprüchen aus der gesetzlichen Gewährleistung ist gesetzlich geregelt. Diese darf vom Verkäufer nicht verkürzt, aber verlängert werden. Viele Anbieter heben sich von Konkurrenten ab, indem sie freiwillig eine längere Frist anbieten. Es wäre aber ein Verstoß gegen zwingendes Recht, wenn sie verkürzt würde und somit ungültig. Die Verlängerung ist freiwillig und Ausfluss der Vertragsfreiheit.
3. Grenze: Sittenwidrigkeit
Es gibt Verhaltensweisen, die gesetzlich zwar nicht oder nicht direkt geregelt sind, aber dennoch gegen höhere Grundprinzipien verstoßen. Immerhin gehen die Autoren von Verträgen für ihre Auftraggeber an rechtliche Grenzen, um für diesen das „Bestmögliche“ zu erarbeiten. Zu hohes Erfindungsreichtum führt zu starken Benachteiligungen anderer. Vor allem dann, wenn die Parteien wirtschaftlich unterschiedlich stark sind. Darum hört man immer wieder, dass Allgemeine Geschäftsbedingungen von diversen Konzernen von Gerichten als ungültig erklärt werden. Bis aber jemand klagt und gewinnt, halten sich andere daran.
Die Rechtskonstruktion dagegen heißt „Sittenwidrigkeit“. Es soll das „Gerechtigkeits- und Anstandsgefühl aller moralisch und gerecht Denkenden“ schützen. „Moral“ ist heute aber nur insoweit zu berücksichtigen, als sich diese schon irgendwo in der Gesetzeslage niedergeschlagen haben muss. Früher wurde „Moral“ noch frei ausgelegt und von den Richtern auch dann geschützt, wenn das konkrete Verhalten gesetzlich nirgends schlechter gestellt wurde. Sie entschieden es nach persönlichem Empfinden. So wurde in Österreich z. B. lange Zeit mit diesem Rechtskonstrukt den Prosituierten verwehrt, ihr Honorar einzufordern obwohl sie selber gegen keinerlei Gesetze verstoßen haben. Im Ergebnis wurde nur ihre Ausbeutung geschützt. Darum ist heute „Moral“ nur noch strikt an der Gesetzeslage zu messen.
Nunmehr sind es vor allem Klauseln in Verträgen die als sittenwidrig festgestellt werden, weil sie andere „gröblich benachteiligen“. Miet-, Konsumentenschutz- und Arbeitsverträge sind ebenfalls Felder, wo der Schutz von Schwächeren die Durchbrechung der Privatautonomie rechtfertigt.
Formale Inhalte der Vertragsfreiheit
Man teilt die Vertragsfreiheit in vier Unterklassen.
- Abschlussfreiheit
- Inhaltsfreiheit
- Formfreiheit
- Aufhebungsfreiheit
4. Die Abschlussfreiheit versus Kontrahierungszwang
Um den Ausgleich aller Interessen innerhalb einer freien Demokratie ist zu wahren, muss der Gesetzgeber auch manchmal Private zu Vertragsabschlüssen zwingen. Diese Notwendigkeit wird am besten durch Beispiele erklärt:
- Ein Stromlieferant hat nun genug Geld, die Nase voll von Ausländern und will zu seinem Geburtstag all ihre Stromverträge kündigen.
- Der Bäcker an einem belebten Hauptplatz möchte ab jetzt nur noch an Blondinen verkaufen
- Ein neuer Zugbetreiber will nur Männer hineinlassen
- Eine ausschließliche Bank für Islamisten möchte eröffnen
Der Gesetzgeber ist aus menschenrechtlichen Erwägungen gezwungen, Diskriminierung zu verbieten. Das geht insofern zu Lasten der Vertragsfreiheit, als er einen sogenannten Kontrahierungszwang vorsehen muss. Immerhin kann jeder Mensch privat, etwa im Rahmen einer Vereinsgründung und in der Freizeit seine persönlichen Präferenzen ausleben. Wenn aber jemand bestimmte Leistungen für die Allgemeinheit anbietet, ist das anders. Nur dort, wo kein begründeter Kontrahierungszwang vorliegt, herrscht Freiheit bei der Wahl des Vertragspartners.
5. Die Inhaltsfreiheit
Dieser Gesichtspunkt verdeutlicht den Unterschied zum Sachenrecht: Dort herrscht ein sogenannter Typenzwang. Das heißt, der Gesetzgeber schafft Vertragstypen, die dingliche Rechte berühren können. Andere Arten von Verträgen berühren dingliche Rechte nicht.
Schuld- oder vertragsrechtlich wirkt aber alles, was man vereinbart. Das kann eingeklagt werden. Nur die Begründung dinglicher Rechte ist etwas anderes.
6. Formfreiheit
Die Formfreiheit ist ein wichtiger Aspekt, der Menschen oft nicht bewusst ist. Es ist nämlich egal, ob die Schriftform gewählt wird oder ein Vertrag als solcher bezeichnet wird: Mündlichkeit gilt. Außerdem können Angebote auch „konkludent“ angenommen werden. Das heißt, man muss nicht ausdrücklich zustimmen, wenn man ein Verhalten setzt, das als Zustimmung zu betrachten ist.
Natürlich ist die Geltendmachung dann mit einem höheren Beweisrisiko verbunden. Darum ist die Schriftlichkeit auch klar vorzuziehen. Man sollte aber nicht denken, dem bloß gesprochenen Wort oder gar Handeln käme eine geringere Bedeutung zu. Häufig betrifft es Zusatzpunkte und Details zu schriftlichen Verträgen: Dann denken manche, es gälte ohnehin nur der schriftliche Teil und sagen mündlich ganz andere Sachen zu. Wie Gerichte im Nachhinein alles auslegen, kann sich keiner sicher ganz sein. Gerade dann, wenn kein anderer es hörte oder nahestehende Personen als Zeuge auftreten.
Manche Verträge sind allerdings per Gesetz von einem Notar zu bekunden. Das ergibt sich etwa aus einem besonderen Schutzbedürfnis.
7. Die Aufhebungsfreiheit
Wenn zwei Parteien nicht mehr miteinander wollen, können sie jederzeit ihre vertragliche Bindung beenden. Ausgenommen sind freilich Fälle mit Kontrahierungszwang. Und es müssen tatsächlich alle Vertragspartner wollen und nicht nur einer. Dabei gelten zivilrechtliche Regelungen und manche Bereiche weisen besondere Bestimmungen auf. Das betrifft etwa die Auflösung eines Arbeitsverhältnisses oder Mietvertrags, wo Schutzbestimmungen nötig sind.
Die Vertragsfreiheit – das Wichtigste in Stichpunkten
Die Grenzen
- Strafrecht
- Zwingendes Recht
- Gute Sitten
Die Inhalte
- Abschlussfreiheit
- Inhaltsfreiheit
- Formfreiheit
- Aufhebungsfreiheit
Ausnahme: Kontrahierungszwang
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