Das Bundesverfassungsgericht


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Das Bundesverfassungsgericht schützt die Verfassung. Im Gegensatz zu allen anderen deutschen Gerichten muss es nicht die Einhaltung von Gesetzen überprüfen. Es kümmert sich nur um die Einhaltung von Regeln, die in Verfassungsrang stehen. Gemeint sind Verfassungsgesetze. Diese höherrangigen Gesetze benötigen bei der Abstimmung eine Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Darum können sie von einer Regierung nur dann geschaffen werden, wenn sie selber 2/3 der Wählerstimmen hinter sich hat. Ansonsten braucht sie andere Parteien dazu.

Die Verfassung beinhaltet die Grundregeln einer Demokratie und des Rechtsstaats, die Verpflichtung zur Einhaltung der Menschenrechte und die Aufteilung der Kompetenzen. Letzteres betrifft die Frage, wer welche Dinge überhaupt beschließen oder durchführen darf. Sie verpflichtet damit den Staat und seine Organe. Das Bundesverfassungsgericht kontrolliert den Staat und nicht die Bürger.

Schutz des Bürgers vor dem Staat – ohne Verfassungsgerichtsbarkeit unmöglich

Die Bürger werden vor dem Staat beschützt. Es macht keinen Unterschied, ob er durch Urteil oder Bescheid, sonstigem Handeln oder ein Gesetz in seinen Grundrechten verletzt wird. Das Bundesverfassungsgericht darf daher auch Gesetze aufheben. Die Bundesregierung oder Landesregierungen müssen dann ein neues Gesetz beschließen oder ein Amt oder Gericht das Anlassverfahren neu durchführen. Bei zukünftigen Fällen sind alle an diese Rechtsprechung gebunden und müssen sie von sich aus anwenden. Es steht insofern an der Spitze innerhalb Deutschlands und ist die Menschenrechte betreffend mächtiger als die gesamte Bundesregierung und der Bundespräsident zusammen.

Man sieht, wie wichtig seine Funktion ist. Es sorgt erst dafür, dass der Staat und all seine Ämter und andere Gerichte erst ordentlich arbeiten können. Mit dem Bundesverfassungsgericht wäre es rechtlich unmöglich, dass jemand die Macht an sich reißt oder Demokratie, Rechtsschutz und die Menschenrechte der Bürger abschafft. Staaten ohne funktionierende Verfassungsgerichtsbarkeit schaffen es nicht, demokratisch und rechtsstaatlich zu funktionieren. Die Verfassung sorgt für grundlegende Ordnung und Frieden. Man benötigt ein Gericht, welches die Einhaltung ständig überprüft. Mit Ende 2016 erledigte das Gericht seit seinem Bestehen 222.922 Fälle und es wird international als staatsorganisatorisches Vorbild für rund 70 Staaten hoch geschätzt.

Aufgaben und ihre konkrete Bezeichnung

  • Verfassungsbeschwerden (Bürger richten sie u.a. gegen Urteile, Behördenentscheidungen, Gesetze, Verordnungen, Handeln und Unterlassen)
  • Organstreit (wenn Behörden um Zuständigkeiten streiten)
  • Bund-Länder-Streit (wenn beide oder keiner für etwas zuständig sein möchte)
  • Parteiverbote (wenn Gegner von Demokratie und Rechtsstaat eine Partei gründen und gewählt werden wollen)
  • Verwirkung der Grundrechte (eine zu Recht kritisierte Bestimmung im Grundgesetz, die es sonst in Demokratien kaum gibt. Das Bundesverfassungsgericht hat sie noch nie angewandt obwohl bereits vier Anträge eingebracht wurden)
  • Klärung des Status einer Partei (wenn eine neu gegründete Partei nicht anerkannt wird und dagegen beruft)
  • Wahlprüfung (ob eine Wahl rechtmäßig durchgeführt wurde)
  • Anklage gegen den Bundespräsidenten (gab es noch nie)
  • Diverse unterstützende Aufgaben nach Bedarf (wie etwa die Erstellung von Rechtsgutachten)

Wie geht ein Bürger bei der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts vor?

Das Bundesverfassungsgericht kann, wie kein Gericht, von sich aus etwas prüfen. Vorher muss eine Beschwerde eingereicht werden. Es gibt klare Regeln, wie diese aussehen muss. In Deutschland braucht dazu niemand eine Anwaltskanzlei – jeder Bürger darf sein Vorbringen übermitteln. Natürlich braucht er dazu Hilfe, es muss aber kein Rechtsanwalt sein. In Österreich dagegen ist die Unterschrift eines Rechtsanwalts oder Hochschulprofessors notwendig. So schlimm ist der Unterschied aber nicht: Hier und dort gibt es Prozesskostenhilfe, so dass jeder einen Rechtsbeistand erhält auch wenn er nicht viel Geld hat. Heute betreibt dieses Gericht eine sehr bürgerfreundliche Webseite mit näheren Informationen.

Beispiel: Ein Deutscher geht zu einer kostenlosen Beratungsstelle, weil die Pension oder Kindergeld gekürzt wurde. Dort wird ihm gesagt, dass das nicht menschenrechtskonform ablief weil es gegen den Vertrauensgrundsatz verstößt – man hätte das rechtzeitig ankündigen oder nur auf bestimmte, künftige Antragsteller beschränken müssen. Diese Stelle kann ihm eine Verfassungsbeschwerde schreiben und er bringt sie sofort ein. Wenn diese Stelle das nicht kann, stellt er einen Prozesskostenhilfeantrag beim Bundesverfassungsgericht und beantragt einen Rechtsbeistand. Meistens muss aber vorher der Instanzenzug ausgeschöpft sein. Das nennt man Subsidiaritätsprinzip.

Wo steht die Verfassung und was sind die typischen Themen?

Vor allem findet man Verfassungsbestimmungen im Grundgesetz (GG). Die Menschenrechte, festgeschrieben in der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) ist eigentlich ein Vertragswerk zwischen Staaten, verleiht aber direkte Rechte für den Einzelnen. Dort wird etwa  die Wiedereinführung der Todesstrafe verboten.

Häufig sind es Verfahrensfehler der Behörden oder Gerichte, die sich auf Menschen direkt auswirken. Das sind Verletzungen des Rechts auf ein faires Verfahren – die rechtliche Basis, wie Gerichte und Ämter arbeiten müssen. Häftlinge sind im Recht auf Freiheit beeinträchtigt, das muss immer einen guten Grund haben. Würde ein neues Gesetz erlauben, dass ein Verdächtiger beim Verhör geschlagen oder bedroht werden darf, würde dieses Gesetz vom Bundesverfassungsgericht rasch aufgehoben werden. Genauso, wenn die freie Berufswahl unmöglich gemacht würde oder grundlose Enteignungen angeordnet würden. Ein schwerer Verstoß wäre es, manchen Menschen das Wahlrecht zu entziehen. All das gab es nämlich lange Zeit auch hier. Zuerst durften nur Männer und reiche Personen wählen gehen.

Zwischen 1918 und 1945 gab es kein Bundesverfassungsgericht, welches die Bürger schützte. Die Menschenrechtskonvention von heute existierte damals ebenfalls nicht. Jedes einzelne Menschenrecht und sein Schutz durch ein Gericht wurden aber lange Zeit blutig erkämpft. Der Erfolg stellte sich aber nicht linear ein, es war ein „Auf und Ab“. Um weitere Rückfälle zu vermeiden, wurde das Bundesverfassungsgericht geschaffen. Es besteht nunmehr seit der Gründung der Bundesrepublik Deutschland.

Wie entscheidet das Bundesverfassungsgericht?

Es gilt eine klare Verteilung der Geschäftsfälle im Voraus. Die Richter müssen keineswegs alle derselben Meinung sein und dürfen sie auch vertreten. Die Fälle werden nämlich durch Abstimmungen entschieden.

Vorsicht vor Kritikern der Verfassungsgerichtsbarkeit

Obwohl seine Organisation und die Bestellung der Richter genauestens geregelt sind, gibt es immer wieder auch kritische Stimmen. Nicht jedem Politiker ist es recht, wenn die von ihm gewollten Gesetze wieder aufgehoben oder deshalb erst gar nicht erlassen werden. Dann wird dem Gericht oft vorgeworfen, sich politisch einzumischen. Es muss aber Gesetze prüfen und diese stammen nun einmal aus der Politik. Politik und Recht lassen sich – im Ergebnis – nicht trennen.

Die Richterschaft wird vom Bundestag gewählt und der politische Einfluss ist damit gesichert. Immerhin wird der Bundestag vom Wähler zusammengesetzt und ist demokratisch legitimiert. Daher stammt die Kritik meistens von Parteien, die gar nicht dabei waren bzw. gewählt wurden.

Die Richter sind unabhängig und frei. Daher kann auch eine Partei, die sie bestellt hat, einmal enttäuscht sein wenn einer gegen ein Gesetz von ihr entscheidet. Wer aber Respekt vor dem Rechtsstaat hat, behält persönliche Empfindungen für sich.

Wenn nach einer Wahl neue Parteien in die Regierungen kommen, ist ihnen ein Verfassungsgericht manchmal ein Dorn im Auge. Insbesondere dann, wenn sie mit anderen Verfassungsinhalten liebäugeln würden. Es kann sogar vorkommen, dass eine neue Regierung seine Arbeit zu behindern versucht – wie rund um das Jahr 2016 in Polen. Das sind klare Verstöße gegen die Menschenrechtskonvention und gegen EU-Recht. Deren Bürger haben im Land selber keinen wirksamen Schutz mehr vor dem Staat.

Ausgewählte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts


  • Zum Parteiverbot

Verfassungsfeindlichkeit alleine reicht nicht aus um den Status als politische Partei zu verlieren. Es ist eine kämpferische, aggressive Haltung zur staatlichen Grundordnung nötig. Bsp.: Die KPD wurde deshalb verboten.


  • Steuerrechtliche Gleichbehandlung von gleich- und verschiedengeschlechtliche Paaren

Trotzdem scheiterte eine völlige Gleichstellung an der CDU weil nur die sofort durchsetzbaren Aspekte aus dem Anlassfall gesetzlich korrigiert wurden und nicht der Umfang des Sinngehalts dieses Urteils.


  • Haschischkonsum

Das Gericht befand ein grundsätzliches Verbot durch Gesetz zwar als zulässig, also verletze es keine Grundrechte. Bei der Bestrafung für geringen Besitz zum Eigenbedarf ist aber eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen. Das führte zur Einstellungen solcher Strafverfahren.


  • Rettung notleidender Euro-Staaten ja, aber nur mit Zustimmung des Bundestags

  • Kopftuchverbot für Lehrerinnen ja, aber nur durch Gesetz

  • Bundeswehreinsätze im Ausland ja, aber nur mit Zustimmung des Bundestags

  • Schwangerschaftsabbrüche ja, aber nur in den ersten Wochen. Es ist das Wohle des Kindes und auch der Mutter in den Gesetzen zu berücksichtigen.

Das Bundesverfassungsgericht – das Wichtigste in Stichpunkten

  • Es schützt ausschließlich die Einhaltung von Gesetzen in Verfassungsrang
  • Es überprüft als einziges Gericht auch den Gesetzgeber, die Gesetze und Wahlen
  • Bürger können sich an ihn wenden
  • Der Staat kann sich bei Kompetenzstreitigkeiten an ihn wenden
  • Seine Entscheidungen sind innerstaatlich von höchstem Rang –  nur europäische Instanzen können sie überprüfen
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