Diese berufliche Perspektive bietet BWL
Wer nichts kann, der studiert Betriebswirtschaftslehre. So lautet die landläufige Meinung. Diese Annahme beruht hauptsächlich auf der hohen Zahl an Studenten, die sich Jahr für Jahr für den Studiengang BWL an den deutschen Universitäten einschreibt. Mit der Realität hat dies nur wenig zu tun. Denn BWLer müssen sich gerade aufgrund der hohen Zahl an Studierenden besonders ins Zeug legen, um nach dem Studium auf dem Arbeitsmarkt eine Perspektive zu haben. Doch was genau macht man in der heutigen Zeit eigentlich mit dem einem abgeschlossenen Bachelor-Studiengang in BWL?
Knapp 235.000 Studenten waren 2015/2016 für BWL an deutschen Hochschulen eingeschrieben. Damit ist die Betriebswirtschaftslehre weiterhin mit Abstand der beliebteste Studiengang in Deutschland, noch vor Maschinenbau, Rechtswissenschaften, Informatik oder Medizin.
Doch die Schlussfolgerung, dass BWL von den meisten Abiturienten gewählt wird, weil sie sich für die Materie interessieren, ist weit gefehlt, meint zumindest Professor Alfred Kieser: „Kaum einer macht BWL, weil es ihn oder sie so besonders interessiert. BWL macht man instrumentell. Die Motive sind ein hohes Gehalt und bessere Jobchancen. Wer nach Neigung studiert, landet eher bei Kunstgeschichte oder Germanistik.“
Die berufliche bzw. finanzielle Perspektive ist es demnach, die Studenten ins BWL-Studium lockt. Für viele Studenten ist es folglich eine reine Vernunftentscheidung, sich für eines der MINT-Fächer oder BWL zu entscheiden, denn sie bieten die besten Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Doch stimmt das? Und welche Perspektiven bieten sich BWLern eigentlich konkret?
Berufswelt der Betriebswirtschaftslehre: Hier arbeiten Betriebswirte
Die Einsatzfelder für studierte Betriebswirte sind so vielfältig, dass es fast kaum möglich ist, einen Gesamtüberblick aufzuzeigen. Dies hat natürlich auch damit zu tun, dass es sich beim Studium der Betriebswirtschaftslehre um ein sehr generalistisches Studienfach handelt. Gerade in den ersten Semestern erhalten Studenten jede Menge Grundkenntnisse aus nahezu allen Teilbereichen der BWL, von Controlling bis zum Marketing, von Personalmanagement bis zum Steuerrecht.
Bei diesem Fundus an Studenten und Inhalten bleibt natürlich nicht viel Platz für kritische Köpfe. Das sieht auch Professor Kieser so: „Ich finde wirklich, dass die BWL-Wissenschaft früher reichhaltiger war und mehr Raum für kritische Auseinandersetzung ließ. Heute ist alles viel glatter.“ Doch das ist eine subjektive Meinung. Tatsache ist aber wohl, dass sich BWL-Studenten nach den ersten Semestern bereits entscheiden müssen, in welchem Bereich sie sich spezialisieren wollen.
Dies wiederum bestimmt, in welchem Wirtschaftszweig sie später ankommen. Wer zum Beispiel den Fokus auf Marketing richtet, wird wahrscheinlich nicht in der Steuerkanzlei landen und sich mit Steuern im Rechnungswesen beschäftigen. Dennoch haben Studenten die Qual der Wahl, weswegen es grundsätzlich wichtig ist, während der ersten Semester Praktika in verschiedenen Unternehmen zu machen.
Kurzüberblick BWL – Hier finden Betriebswirte Jobs
- Controlling / Rechnungswesen: Controller, Bilanzbuchhalter, Cash Manager oder auch Internal Auditor – all diese Berufe haben vor allen Dingen mit Zahlen zu tun. Grundsätzlich ist es die Aufgabe aller Berufsbilder, Unternehmenskennzahlen zu optimieren oder zu verwalten und Führungskräften bei Kredit- und Finanzfragen Lösungen aufzuzeigen.
- Marketing / Medien / PR: In diesem Sektor finden alle BWLer einen Platz, die sich auf das Themenfeld Marketing spezialisiert haben. Sie gestalten die Außendarstellung des Unternehmens, konzeptionieren Marketingstrategien oder führen Marktanalysen durch. Berufe sind beispielsweise Marketingmanager, Marketingberater oder Brand Manager.
- IT / Ingenieurwesen: Zwar gibt es für IT-Experten und Ingenieure andere Studienfächer, die sich besser als BWL eignen, aber es gibt durchaus auch Berufsfelder, die als Schnittstelle zwischen BWL und Informationstechnik anzusehen sind. Dazu zählt beispielsweise der SAP-Berater oder der Kostenanalytiker, Vertriebsingenieure oder auch der Business Analyst.
- Bank / Finanzen / Versicherungen: Ein typisches Feld für BWLer ist das Finanzwesen. Ob nun als Börsenmakler, Unternehmensberater, Fonds-Manager oder Underwriter, Betriebswirte sind bei entsprechender Spezialisierung vor allen Dingen bei Banken und Versicherungen gefragt.
- Tourismus / Hotel / Event: Immer wenn es um die Leitung eines Unternehmens geht, sind auch BWLer gesucht. Denn natürlich haben Privatunternehmen immer die Gewinnmaximierung im Auge. Und wer könnte da besser geeignet sein als ein Betriebswirt? Diese werden auch in der Tourismusbranche oft als Projektleiter, Hoteleinkäufer oder Destinationsmanager gesucht. Sie sollen ihre finanztechnischen und organisatorischen Fähigkeiten in Bezug auf die Warenbeschaffung geschickt einsetzen.
- Gesundheit / Soziales / Pflege: Viele wissen es nicht, aber Krankenhausleiter bzw. -manager sind oft gar keine Mediziner, sondern BWLer. Denn hinter der Versorgung erkrankter Menschen steckt ein riesiger betriebswirtschaftlicher Aspekt: Arbeitsabläufe müssen optimiert und Personalmanagement organisiert werden. Dazu gehört auch die Konzeptionierung einer zukunftsfähigen Unternehmensstrategie, ob nun im Krankenhaus, im Pflegeheim oder in anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens.
- Logistik / Handel / Immobilien: Insbesondere die Logistik profitiert von fähigen Betriebswirten, die imstande sind, Waren- und Informationsströme zu koordinieren und dafür Sorge zu tragen, dass Güter „just in time“ beim Kunden ankommen. Ähnliches ist auch im Handel als Filialleiter gefragt. Ein zumindest etwas anderes Arbeitsportfolio weist da bereits die Tätigkeit als Investment Manager im Immobiliensektor auf. Hier müssen Anlagen nach Risiko- und Ertragsaussichten analysiert werden.
- Personalwesen / Psychologie: Ja, auch hier finden BWLer womöglich ihren Traumjob. Vor allem als Headhunter werden Betriebswirte oft eingesetzt, denn sie müssen ihre Analysefertigkeiten für vakante und wichtige Positionen im Unternehmen einsetzen.
Es braucht hervorstechende Qualitäten
Viele berufliche Wege, noch mehr Bewerber – wer als Absolvent eines BWL-Studiengangs auf dem Arbeitsmarkt erfolgreich sein möchte, der muss vor allem zwei Dinge mitbringen: herausragende Qualifikationen und die Bereitschaft, seine Ellenbogen einzusetzen, um im Unternehmen aufzusteigen.
Für viele Studenten ist das größte Problem, dass sie eine gänzlich falsche Vorstellung von dem haben, was sie nach dem Studium erwartet. Bessere Gehälter, hervorragende Aufstiegschancen und einen sicheren Arbeitsplatz erwarten viele frisch von der Uni gekommenen Studenten – und werden dann enttäuscht.
Video: Welche Motivation besitzen Studenten, wenn sie sich für ein BWL-Studium entscheiden?
„Man ist am Anfang nicht gleich eine Führungskraft, sondern eher ein besserer Verwaltungsangestellter“, sagt Joachim Sauer, Präsident des Bundesverbands der Personalmanager. Sie müssten Akten sortieren, Anrufe entgegennehmen und allgemein eher triste Büroaufgaben übernehmen. Nur wer sich engagiere und bereit sei, seinen Namen auch für größere Aufgaben ins Spiel zu bringen, habe am Ende Aufstiegschancen.
Wichtig ist es darüber hinaus aber auch, seine Stärken und Schwächen zu kennen. Denn wie gezeigt, ist der Beruf Betriebswirt in erster Linie ein Sammelbegriff für eine Vielzahl unterschiedlicher Tätigkeiten. Verabschieden sollten sich Studenten auch vom Traum, kurz nach dem Studium bereits in einem Weltkonzern mit klangvollem Namen zu arbeiten.
Meistens liegen die wirklich attraktiven, weil lehrreichen Jobs zu Anfang eher bei kleineren bis mittelgroßen Unternehmen. Hier sammeln die später erfolgreichen Führungskräfte von morgen Erfahrungen, die sie dann irgendwann bei größeren Konzernen gewinnbringend einsetzen können. Sich darauf einzulassen und sich durch Qualifikation und Leistung von der Masse der BWL-Studenten abzuheben, darin liegt die große Herausforderung.
Das braucht es für das Studium der Betriebswirtschaftslehre
Ein Student müsse heutzutage sehr eigenständig an der Universität arbeiten und lernen, wenn er sich für ein Studium der Betriebswirtschaftslehre entscheidet, meint Professor Kieser. Dies würde insbesondere denjenigen Schwierigkeiten bereiten, die frisch vom Gymnasium kommen, sehr gute Noten hatten und es gewohnt waren, dass ihnen die Lehrer vorschreiben, was sie wann und wie zu tun haben.
Auf der Universität ist dies anders. Neben den geistigen Fertigkeiten spielen in der BWL und dann natürlich auch in der Arbeitswelt die Soft Skills eine viel größere Rolle als noch auf der Schule. Natürlich kommt es am Ende auch auf die Branche an, am Ende sind kommunikative Fähigkeiten im Umgang mit Kunden aber von immenser Bedeutung.
Joachim Sauer erklärt, dass Personalentscheider heutzutage auch vielmehr auf Erfahrung und untypische Lebenswege achten als früher, zu einer Zeit, in der lediglich der geradlinige Weg zur Uni mit möglichst gutem Abschluss favorisiert wurde. Praxiserfahrungen seien heute hingegen ein immenser Wettbewerbsvorteil.
Ein ganz individuelles Qualifikations- und Persönlichkeitsprofil zu entwickeln kann am Ende also mitentscheidend sein, auch um sich gegen vermeintlich besser qualifizierte Kommilitonen durchzusetzen. Dies soll aber natürlich nicht bedeuten, dass BWL-Kenntnisse nicht mehr wichtig wären. Wer BWL studieren möchte, sollte zumindest folgende Fertigkeiten mitbringen, um sein Studium erfolgreich zu meistern:
- Interesse für Zahlen; mathematische Kenntnisse und analytisches Geschick
- Abstrakte und konzeptionelle Denkweise
- Interesse für Themen aus der Wirtschaft und Sozialwissenschaft
- Verständnis für ökonomische und gesellschaftliche Zusammenhänge
- Eigenständige Arbeitsweise
- Selbstdisziplin und Zielstrebigkeit
- (Erweiterte) Fremdsprachenkenntnisse
- Sehr gute kommunikative Fertigkeiten
Wer sich selbst prüfen möchte, ob er für ein BWL-Studium geeignet ist, der hat die Möglichkeit, an sogenannten Online-Self-Assessment-Tests teilzunehmen, wie sie beispielsweise von der Universität Bremen angeboten werden. Entmutigen lassen sollten sich Unentschiedene übrigens nicht von derlei Fragebögen. Wer hier schlecht abschneidet, der weiß immerhin, wo es bei ihm noch hapert und hat ausreichend Möglichkeiten – auch auf unserer Seite – seine Know-how zu erweitern.
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