Liquiditätspolitik


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Grundsätzlich beschreibt die Liquiditätspolitik alle Maßnahmen, die zur Aufrechterhaltung der (kurzfristigen) Zahlungsfähigkeit dienen. Von dem Begriff ist in der Regel in Zusammenhang mit der Europäischen Zentralbank (EZB) zu sprechen, die über die Liquiditätspolitik den Geldmarkt beeinflusst. Aber auch Unternehmen nutzen die Politik, um ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.

Ziele von Liquiditätspolitik im Allgemeinen

Ist ein Wirtschaftssubjekt liquide, kann es all seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen. Das ist für Banken und Unternehmen genauso wichtig wie für Staaten. Können die Wirtschaftssubjekte laufende Forderungen nicht begleichen, so droht die Insolvenz – obwohl vielleicht viel Vermögen in Form von Immobilien oder Wertpapieren vorhanden ist.

Liquidität wird in der Regel in Form von Bargeld oder kurzfristigen Sichteinlagen gehalten. Für beide Anlagemöglichkeiten erhalten Wirtschaftssubjekte kaum bzw. keine Rendite. Daher ist es die Aufgabe der Liquiditätspolitik, die Liquidität auf einem möglichst geringen Niveau zu halten. Überschüssiges Kapital sollte aus Renditesicht in bessere Alternativen (Festgeld, Aktien, Ankauf von Maschinen, Expansionen) investiert werden.

Liquiditätspolitik der EZB

Die EZB kann durch geldpolitische Mittel die Liquidität von Geschäftsbanken beeinflussen. Es ist gleichermaßen möglich, deren verfügbare Reserven zu erhöhen oder zu senken. Dazu stehen insbesondere zwei Maßnahmen zur Verfügung:


  • Im Rahmen der Mindestreservepolitik wird festgelegt, wie viel Kapital Banken bei der Kreditvergabe als Sicherheit bei der EZB hinterlegen müssen. Notwendig ist die Mindestreserve, um einen Zusammenbruch der Bank bei der Zahlungsunfähigkeit eines Schuldners zu verhindern. Je höher die Mindestreserve ausfällt, desto geringer ist die Liquidität der Bank und desto höher die Absicherung gegen (langfristige) Zahlungsausfälle. Gleichzeitig wird den Geschäftsbanken jedoch wirtschaftlicher Spielraum genommen, der zu kurzfristigen Zahlungsengpässen bzw. einer geringeren Kreditvergabe an den Wirtschaftssektor führen kann.
  • Das zweite und viel diskutierte Mittel stellen die Zinssätze für Refinanzierungsgeschäfte dar. Erhöht die EZB den Leitzins, so wird es für Banken teurer, Kredite bei der EZB aufzunehmen. Gleichzeitig machen geringere Leitzinssätze die Darlehensaufnahme günstiger und erhöhen somit in der Regel die Liquidität der Banken.

Ziele der Liquiditätspolitik der EZB

Die EZB zielt ausdrücklich nicht darauf ab, problematische Angelegenheiten von Geschäftsbanken zu regeln. Der Schutz vor Insolvenz ist nicht Aufgabe der EZB, sondern muss durch bankeninterne Regularien erfolgen. Dennoch hat die Zentralbank ein Interesse daran, allgemeine Krisen zu verhindern. Als Reaktion auf die Finanzkrise 2008 wurde beispielsweise die Mindestreserve erhöht.

Ansonsten kann es schnell zu Kettenreaktionen kommen:
Banken leihen sich ständig bei der EZB aber auch untereinander Geld. Angenommen, die Mindestreserve liegt bei 0 Prozent. Dann verfügen Banken über viel Liquidität und verleihen entsprechend viel Kapital. Die bankeninterne Liquiditätsquote liege beispielsweise bei 5 Prozent vom Gesamtvermögen, um kurzfristige Rechnungen begleichen zu können. Die restlichen 95 Prozent sind somit an andere Banken oder private Kreditnehmer verliehen. Folgende Kettenreaktion droht:


  • Mehrere Schuldner von Bank A melden Zahlungsunfähigkeit an, was insgesamt 15 Prozent des Vermögens der Bank betrifft.
  • Bank A hat sich wiederum Geld von anderen Banken geliehen und verfügt nur über ein geringes Maß an Eigenkapital. Zur Rückzahlung der eigenen Kredite ist es daher zwingend notwendig, dass alle Schuldner ihre Darlehen abbezahlen.
  • Bank A verfügt nur über eine Liquiditätsquote von 5 Prozent und kann seinen Zahlungsverpflichtungen durch den Ausfall der eigenen Schuldner nicht mehr nachkommen.
  • Das bedeutet für Bank B, die Bank A Geld geliehen hat, ebenfalls einen Vermögensverlust. Weil Bank B ebenfalls nur wenig Liquidität hält, kann es seinen Zahlungsverpflichtungen an Bank C nicht mehr nachkommen.



Dass dieses Szenario kein theoretisches Konstrukt ist, zeigt die Finanzkrise von 2008 eindrucksvoll. Die zweitgrößte US-Investmentbank Lehman Brothers musste damals Insolvenz anmelden – ein bis dato undenkbarer Fall. Verhindert werden kann die Kettenreaktion durch Mindestreserven. Pro verliehenem Euro müssen Banken dann einen Teil bei der Zentralbank als Sicherheit hinterlegen. Gleichzeitig sinkt die eigentliche Liquiditätsquote nicht, da die Bank trotzdem noch anderen Zahlungsverpflichtungen nachkommen muss. Bei kurzfristigen Krisen kann also auf bankeninterne Liquidität und die Mindestreserve zurückgegriffen werden.

Liquiditätspolitik im Unternehmen

In einem Unternehmen haben Liquiditätsengpässe exakt dieselben Auswirkungen wie im Falle von Banken. Rechnungen und Forderungen können nicht mehr beglichen werden, was zur Insolvenz des Unternehmens führt. Kettenreaktionen sind in der Regel unwahrscheinlich, weil Unternehmen über ein gewisses Maß an Eigenkapital in Form langfristiger Vermögensgegenstände (Maschinen, Produktionshallen, Grundstücke) verfügen. Diese werden im Insolvenzfall liquidiert und die Gläubiger entsprechend ausbezahlt.

Die Sicherstellung der Liquidität ist Aufgabe des Controllings. Dieses behält Zahlungseingänge und Zahlungsausgänge stets im Überblick, so dass auf Ausfälle bei Kunden reagiert werden kann. Möglich ist das beispielsweise durch die Einräumung langfristiger Zahlungsziele bei eigenen Lieferanten, eines gewissen Bestands an Bar- und Sichteinlagen sowie die Möglichkeit zur kurzfristigen Überziehung des Kontos bei der Bank (Kontokorrentkredit).

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